Durch das Revier - Route der Industriekultur - von Herne nach Dortmund

Wir waren letzte Woche mit dem Rad im Revier unterwegs. Mein langgehegter Wunsch Alte Industrie zu sehen ging in Erfüllung, die Vorfreude war groß und die Begeisterung wurde mit jedem Radeltag größer. Selbst das Wetter konnte uns die Stimmung nicht vermiesen.

Im Vorfeld war mir bewußt, dass das Fotografieren den Hauptanteil bei der Reise stellt. Es gibt so viel interessantes zu entdecken, dass sich alternativ eine wochenlange Wanderung anbieten würde 😊 (wenn ich dann mal Rentner bin). Wir radeln auf ehemaligen Bahntrassen, an Kanaluferwegen, an Radwegen entlang der Emscher und im Ruhrtal zu Highlights der Industriekultur. 

Kurzer Überblick zur Geschichte des Reviers:

Im 16. Jhdt. wurde die Steinkohle oder auch "schwarzes Gold" genannt, in einfachen Grabelöchern im Muttental bei Witten abgebaut. Im 17. Jhdt. gezielter Kohleabbau in Form des Stollenbergbaus, zunächst in waagrechten Stollen. Der wichtigste Transportweg war die Ruhr, die bis 1780 mit dem Bau von 16 Schleusen durchgehend schiffbar gemacht wurde. 1860 erreichte das Frachtaufkommen der Ruhr seinen Höhepunkt.

Im 19. Jhdt. Einführung der Dampfmaschine. Nun war es möglich Kohle in tieferen Schichten abzubauen, da das einströmende Grundwasser an die Erdoberfläche gepumpt werden konnte. Der Bergbau wanderte nördlich bis in die Emscher- und Lippezone.

1835 fuhr die erste Dampfeisenbahn und der Ausbau des Eisenbahnnetzes begann. Mit der Eisenbahn konnte mehr in kürzerer Zeit transportiert werden. Weder Pferdebahnen noch die Ruhrschifffahrt konnten mit der Eisenbahn konkurrieren. Bis zum Ende des 19. Jhdt. war das Streckennetz durch überregionale Verbindungen und Zechenanschlussbahnen weit ausgebaut.

Ende des 19. Jhdts. begann man mit dem Aufbau eines Kanalnetzes zum preiswerten Transport von Massengütern. 1899 Eröffnung Dortmund-Ems-Kanal mit dem ersten Schiffhebewerk Hennrichenburg bei Waltrop. 1914 Eröffnung Rhein-Herne-Kanal.

Viele eiserne Brücken und Industriebetriebe die Eisen verarbeiteten, Eisenwaren und Maschinen herstellten, entstanden. Eine moderne, auf Steinkohle basierende Eisenindustrie entwickelte sich. Die großen Steinkohlevorkommen zusammen mit Eisen und Stahl wurden die Grundlagen für die industrielle Entwicklung im Ruhrgebiet. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage folgten immer mehr Betriebe. Das starke Wachstum der Montanindustrie (Industrie von Bergbau und Hüttenwesen) wurde begleitet von einer starken Zuwanderung von Arbeitskräften. Dadurch vervielfachte sich die Bevölkerung explosionsartig und neue Städte entstanden. Von einem ländlichen Gebiet mit einzelnen kleinen Städten wandelte sich das Revier zum größten Ballungsraum Europas. 

Mitte des 20. Jhdt. brach die Kohlekrise aus. Als Gründe gelten der hohe Preis der Ruhrkohle und der sinkende Ölpreis. Mehr und mehr wurde die Kohle durch Öl ersetzt oder durch die günstigere Kohle aus dem Ausland. Im Revier musste tiefer gebohrt werden wie im Ausland, was die Kohle weiter verteuerte. Die Ruhrkohle war bald nicht mehr konkurenzfähig und Zechen wurden nach und nach stillgelegt. Von schätzungsweisen 3200 Zechen wurde 2018 die letzte noch aktive Bergbauanlage geschlossen und damit die Ära des Steinkohle-Bergbaus im Ruhrgebiet endgültig beendet. Durch die Monostruktur litt die Region stark unter der Krise. 

Es setzte ein Strukturwandel ein, der das Revier zu dem gemacht hat, was es heute ist. Die zersiedelte und zerstörte Landschaft wurde von der Natur zurück erobert. Ungenutzte, alte Industriebauten werden saniert und für neue Nutzungen (Gewerbe, Wohnungen, Parkanlagen) vorbereitet. Viele Zeugen der Industrie, die über 150 Jahre das Gesicht des Ruhrgebiets geprägt haben, werden zu Industriedenkmälern oder zu Museen umgebaut um die Erinnerung an das Ruhrgebiet von einst zu erhalten. Das Ruhrgebiet hat sich inzwischen zu einer der beeindruckendsten Kulturlandschaften in Europa entwickelt. Quelle: Reiseinformationen von velociped (hierzu ein Resümee am Reiseende).

Herne

der Startpunkt unserer Rundtour. Um 880 erstmalige Erwähnung. Ab 1857 entwickelte sich Herne zur Bergarbeiterstadt, in den 1920 Jahren wegen seiner Wohlhabenheit auch "Goldene Stadt" genannt. Ca. 161.000 Einwohner. 

Herne am Spätnachmittag und am frühen Morgen:

Der erste Tag von unserer Rundreise führt uns vom Parkhotel auf die "Route der Industriekultur" Das Hotel liegt am Stadtgarten und erhält unsere volle Empfehlung, die Räder stehen in einer verschlossenen Garage. Durch die Stadt radeln wir bis zur Abzweigung zum Rhein-Herne-Kanal.

Wir waren von unserem Reiseveranstalter vorgewarnt, dass es Umleitungen geben kann. Nach 10 Km die erste Umleitung, diese ist besonders, es gibt  nochmals eine Umleitung für die Umleitung. Wir sind skeptisch ob das alles so passt? Es hat gepasst, die Umleitungsstrecken sind gut ausgeschildert, einfach dem gelben Schild mit dem Pfeil folgen. Wir erreichen das

Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop

Das Mehrschwimmer-Hebewerk wurde 1899 zusammen mit dem Dortmund-Ems-Kanal eingeweiht. Es war mit einer Hebeleistung von 14 m und einer Hebekraft von Schiffen bis zu einer Ladefähikeit von 750 Tonnen ein technisches Meisterwerk. Erst durch das Hebewerk konnte der Höhenunterschied zwischen den Kanälen überwunden werden.

Mit dem Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals für größere Schiffe wurde 1962 ein neues Hebewerk gebaut, das ursprüngliche sollte abgerissen werden. Durch eine lokale Bürgerinitative wurde das verhindert, es wurde aufwendig Restauriert und Rekonstruiert, ohne die Wiederherstellung der ursprünglichen Funktion, und 1992 als LWL-Industriemuseum eröffnet. Von Dienstag - Sonntag kann das  Museum besucht werden. 

Ab hier geht unsere Fahrt ein kurzes Stück am Dortmund-Ems-Kanal weiter, Abbiegen Richtung Ickern und Weiterfahrt an der Emscher entlang  (Orte beim anklicken oder darüber fahren)

bis nach

Dortmund

Ein kurzen Abstecher zum Signal-Iduna-Park, ehemals Westfalenstadion und Fußballstadion von Borussia Dortmund. Es ist das größte Fußballstadion Deutschlands mit 81.365 Zuschauerplätzen. Mit seinen acht Pylonen an den Ecken ist es weithin sichtbar. 

In Dortmund unsere Führung mit Skywalk im

Hüttenwerk Phoenix West 

Ausgestattet mit Schutzhelm steigen wir zum Skywalk, der über der alten Gichtgasleitung auf 26 m Höhe liegt, auf. Von hier hat man bereits einen guten Blick über das Gebiet. Der Ausblick wird getoppt mit dem Aufstieg von weiteren 38 m zum Hochofen 5.  

Gichtgas entsteht bei der Verhüttung von Eisenerz als Nebenprodukt - Verhüttung ist die Gewinnung und Verarbeitung von Metallen in einer Hütte. Eine Hütte ist eine industrielle Anlage die durch thermische Verfahren z.B. Eisen gewinnt (eine einfache Erklärung, der tatsächliche Vorgang ist viel komplexer) - Man entdeckte, dass man dieses Gichtgas nach der Reinigung zur Aufheizung beim Herstellungsprozess verwenden kann. Das Gas ist brennbar und durch seinen hohen Gehalt an Kohlenmonoxid giftig. 

1841 ging die Hermannshütte im östlichen Teil von Hörde in Betrieb. Ca. 1851 entstand westlich von Hörde das Hochofenwerk und ab 1906 wurden die Anlagen als Phoenix-Ost und Phoenix-West geführt. Im Hochofenwerk, Phoenix-West, wurde das Roheisen hergestellt und im Stahlwerk, Phoenix-Ost, zu Stahl weiterverarbeitet. Beide Anlagen waren mit der Eliasbahn verbunden die flüssiges und glühendes Roheisen von West nach Ost transportierte. 1991 wurde der seit 1966 zur Hoesch AG gehörende Konzern von Thyssen-Krupp, dem das Stahl- und Hüttenwerk in Duisburg gehört, übernommen. 1998 Schließung Phoenix-West und 2001 Schließung Phoenix-Ost. Ein Großteil der Anlage wurde von Thyssen-Krupp an eine chinesische Firma verkauft. Diese bauten die Anlage ab, transportierten sie nach China, bauten sie dort wieder auf und beliefern inzwischen die Weltmärkte. 

Auf Phoenix-West sind einige Anlagen als Industriedenkmal erhalten geblieben und zu besichtigen. Ebenso erhalten und unter Denkmalschutz stehend ist der fast 80 m hohe Gasometer. Die ausführliche Geschichte ist hier ⇒ Hörder Bergwerks- und Hüttenverein nachzulesen. 

In der Nähe vom Hochofen wird Bier gebraut. Dortmund ist auch "Europas Bierstadt Nr. 1" Im 20. Jhdt. stieg sie zum größten Bierproduzenten auf dem Kontinent auf. Die Markenrechte, von der  damals geschlossenen Bergmann Brauerei, wurden 2005 von einem jungen Studenten übernommen. Die Marke wurde reaktiviert um die Rechte zu behalten. Das Bier gibt es in der daneben liegenden Trinkhalle auch in 0,1 Liter Stößchen. Das Bier soll sehr stark und sehr beliebt sein. Quelle: Reiseinformationen von velociped und Erklärungen von der Führung

Nach der Führung radeln wir weiter zum 

Phoenix-See,

Der Phoenix-See ist ein ca. 24 Hektar großer See in einem ca. 100 Hektar großen Naherholungsgebiet, angelegt auf dem ehemaligen Stahlwerksareal Phoenix-Ost im Stadtteil Hörde. Im Pfefferkorn NY Steakhouse speisen wir und übernachten im Hotel Hampton by Hilton, beide bekommen unsere volle Empfehlung. Die Zimmertüren des Hotels sind massiv und schwer, wir rätseln welchen Vorteil das bieten soll? Unsere Räder verbringen die Nacht in einem verschlossenen Konferenzraum. 

Die ersten beiden Fotos zeigen die im 12. Jhdt. erbaute und 2019 restaurierte Hörder Burg. Mehr Infos bei ⇒ Wikipedia 

Thomas-Konverter

steht am Phoenixsee, ca. 68 Tonnen schwer, 7 Meter hoch, der letzte der 1954 in der Hörder Kesselschmiede gebaut wurde und bis 1964 im Einsatz war.

Wir fragten uns vor der Tour ob wir, bei abgeschalteten Gebäudebeleuchtungen, zu Nachtaufnahmen kommen? Dank der Straßenbeleuchtung, den schmalen LED-Streifen an zwei Gebäuden und dem See gibt es diese Fotos:

Radstrecke: 

Herne - Dortmund, Phoenixsee

53 Km  ⬈256m ⬊224m   ⤒ 119m üNN   47m üNN  🕐  3:30 Std  (lt. Teasi)

 

zusätzliche Ausflugsmöglichkeiten in Dortmund z.B.:

- Kokerei Hansa 

- Alte Markt

- Brauereimuseum

- Hafen 

- Reinoldikirche

- Westfalenpark mit Florianturm

 

Zur ⇒ Übersichtseite  der einzelnen Touren


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